In einer Diskussion in den Kommentarspalten der Seite „DocCheck“ bin ich auf folgendes Statement gestossen:
„Ich finde es sehr schade und traurig und auch arm, dass man nicht beide Ansätze (Schulmedizin und Alternative Medizin) nebeneinander stehen lassen kann und dass diese nicht endlich mal zusammenarbeiten können zum Wohle des Patienten. Jedes hat was Gutes und auch was negatives – nehmen wir doch von beiden Ansätzen das Gute! :-)“
Quelle:
http://news.doccheck.com/de/blog/post/6569-als-globuli-gegner-wird-man-nicht-reich/
Kommentar & Ergänzung:
Im ersten Moment hat mich dieses Statement angesprochen. Sympathisch, oder nicht? Kurz danach hat es mich aber eher irritiert und ich habe mich gefragt, was diese Sätze eigentlich aussagen.
Mehr Zusammenarbeit zwischen Schulmedizin und Alternativmedizin zum Wohle des Patienten – das ist auf den ersten Blick eine nachvollziehbare Forderung. „Zusammenarbeit“ und „Wohl des Patienten“ – wer könnte da schon ernsthaft etwas dagegen einwenden.
Schaut man genauer hin, stellen sich allerdings eine ganze Reihe von Fragen.
Das fängt schon damit an, dass der Begriff „Schulmedizin“ ausgesprochen problematisch ist.
Siehe dazu:
Schulmedizin – ein fragwürdiger Ausdruck
Mit dem Ausdruck „Alternativmedizin“ steht es aber auch nicht besser. Wer möchte nicht Alternativen haben, vor allem, wenn es um die eigene Gesundheit geht.
Aber was ist denn genau gemeint mit „Alternativmedizin“?
Darunter kann man sich alles und jedes vorstellen. Da es hier keinerlei Einschränkungen gibt, kann jede Methode und jedes Präparat, das Heilung verspricht und nicht der „Schulmedizin“ entstammt, als „Alternativmedizin“ etikettiert werden.
Pauschal eine Zusammenarbeit zwischen „Schulmedizin“ und „Alternativmedizin“ zu fordern, läuft daher ziemlich ins Leere.
Der Begriff „Alternativmedizin“ ist eine inhaltslose Worthülse. Reden wir doch stattdessen von konkreten Methoden. Nur dann lässt sich fundiert darüber diskutieren, ob eine bestimmte Methode für die geforderte Zusammenarbeit geeignet ist oder nicht.
Zu klären wäre dann aber ausserdem noch, was mit „zusammenarbeiten“ genau gemeint ist. Auch „zusammenarbeiten“ tönt ja immer gut und erstrebenswert.
Wie die Zusammenarbeit konkret aussehen soll, müsste auf den Tisch gelegt und diskutiert werden. Während es ganz einfach ist, pauschal und vage Zusammenarbeit zu fordern, zeigen sich die Tücken erst im Detail. Ein Widerspruch taucht bereits im erwähnten Kommentar auf, wenn gleichzeitig gefordert wird, dass die beiden Ansätze „Schulmedizin“ und „Alternativmedizin“ nebeneinander stehen gelassen werden sollten. Neben einander stehen lassen – das ist jedoch weit entfernt von Zusammenarbeiten.
.Auch wenn von „Schulmedizin“ und „Alternativer Medizin“ gesagt wird, jedes habe „was Gutes und auch was Negatives“, und man solle doch von beiden Ansätzen das Gute nehmen, dann ist das für sich genommen nur ein wohlfeiler Spruch.
Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir genau benennen, was wir jeweils als das Gute und das Negative betrachten auf beiden Seiten. Nur auf der Basis konkreter Aussagen kann eine produktive Diskussions- und Kritikkultur entwickelt werden. Hier hat die „Alternative Medizin“ allerdings noch viel zu lernen. Aus dieser „Szene“ ist viel pauschale Diffamierung der Medizin zu hören, während präzise Kritik auf der Basis von Argumenten kaum vorkommt. Präzise Kritik an Missständen in der Medizin ist durchaus nötig. Sie muss allfällige Missstände aber genau benennen (wer, was, wo, wie, wann?) und nicht einfach pauschale Feindbilder kultivieren.
Zudem fehlt der „Alternativen Medizin“ weitgehend die präzise Kritik im eigenen Lager, die genauso nötig wäre. Präzise Kritik muss aber geübt werden.
Siehe dazu:
Naturheilkunde braucht kritische Auseinandersetzung
Naturheilkunde kritische Fragen unerwünscht?
Mehr Kontroverse in Komplementärmedizin / Naturheilkunde / Pflanzenheilkunde
Auch die Forderung nach Zusammenarbeit zum „Wohl des Patienten“ klingt gut, sagt aber noch kaum etwas aus. Was ist gemeint mit dem „Wohl des Patienten“?
Umfasst das „Wohl des Patienten“ mehr als „Gesundheit“? Schon der Begriff „Gesundheit“ ist komplex und alles andere als einfach zu erfassen. Und das „Wohl des Patienten“? Ist damit gemeint, dass alle Bedürfnisse des Patienten erfüllt werden? Können und sollen „Schulmedizin“ und „Alternative Medizin“ das zusammen leisten?
Meiner Ansicht nach bringen uns wohlklingende, aber vage bis inhaltsleere Begriffe nicht weiter. Solchen Reden fehlt der Realitätsbezug. Die Arbeit, Begriffe zu klären so gut es geht und nach präziser Ausdrucksweise zu streben, lohnt sich auf jeden Fall.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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