Die Parlamentswahlen 2019 stehen vor der Tür. Dazu hier ein paar Anmerkungen, die auch für spätere Wahlen gültig bleiben.
Die demokratische Kultur wird in den letzten Jahren zunehmend gefährdet, weil bei Wahlen Politikerinnen und (meist) Politiker gewählt werden, die sich vor allem durch Selbstprofilierung, Narzissmus und Diffamierung von politischen Gegnern hervor tun.
Dazu ist gerade ein Kommentar erschienen von Judith Wittwer, Chefredaktorin des Tages-Anzeigers (5. 10. 2019). Daraus hier ein Zitat:
„Den politischen Diskurs kann auch beherrschen, wer das Wort an sich reisst und die Konfrontation sucht. Und solche Provokateure setzen der schweizerischen Kompromisskultur immer mehr zu.
Roger Köppel (SVP) verunglimpft seine Gegner mit ihren vielen Mandaten im Zürcher Ständeratsrennen als «gekaufte Politiker». Cédric Wermuth (SP) gibt mit hochprofessionellem Crowdfunding und aggressivem Campaigning den amerikanischen Wahlkämpfer und stilisiert sich im Kanton Aargau zur alleinigen Lichtfigur, obschon er vorgibt, «für alle» zu sein. Gerhard Pfisters CVP irritiert mit ihrer Internet-Negativkampagne sogar die eigenen Verbündeten. Das SVP-nahe Egerkinger Komitee weigert sich zunächst, Anti-FDP-Plakate zu überkleben, auch wenn das entsprechende Gerichtsurteil keineswegs von «fremden», sondern «eigenen» Richtern gefällt wurde. Thomas Matter (SVP) zieht in seiner Internetsendung «In den Sümpfen von Bern» – eine Referenz an US-Präsident Donald Trumps Schlachtruf «Drain the Swamp» – über die «Classe politique» her, obschon er selbst längst Teil davon ist.
Die Selbstprofilierer aller Parteien spalten mit markigen Voten. Ein Entgegenkommen beim Aushandeln von Lösungen wird……nicht mehr als Kompromissbereitschaft gepriesen, sondern als Schwäche heruntergeputzt. Die Selbstverständlichkeit, mit der Schweizer Volksvertreter bisher stets den Kompromiss gesucht haben, schwindet. Der konkordante Politikstil wird zunehmend abgelöst von der harten Konfrontation……
Die Stimmberechtigten haben es in der Hand, ob sie die Provokateure auf der Wahlbühne mit ihrem Votum belohnen möchten. Oder ob sie jene Kräfte (in allen Parteien) stärken wollen, die sich trauen, für hart, aber fair ausgehandelte Lösungen hinzustehen, auch wenn es gerade nicht Mode ist und keine Schlagzeilen bringt.“
Besonders schädlich für die demokratische Kultur sind insbesondere Politiker, die regelmässig politische Gegner beschimpfen und diffamieren. Sie betrachten und behandeln ihre demokratischen Gegner offensichtlich nicht als Gegner, sondern als Feinde. Dieses destruktive Verhalten scheint gerade (als US-Import?) auch in die Schweiz einzuziehen. Zu beobachten insbesondere bei einer Reihe von SVP-Politikern (nicht bei allen).
Solche Politiker sollten meines Erachtens nicht gewählt werden. Sie passen nicht in ein demokratisches System. Gut beschrieben hat diese Verhaltensstörung die Philosophin und Rechtswissenschaftlerin Marie-Luisa Frick in ihrem kleinen, aber ergiebigen Reclam-Bändchen „Zivilisiert streiten – Zur Ethik der politischen Gegnerschaft“. Hier daraus ein passendes Zitat:
Zum Unterschied zwischen Gegnerschaft und Feindschaft
Mit dem selbsternannten „stabilen Genie“ Donald Trump können wir gerade Tag für Tag ein krasses Lehrbeispiel eines politischen Selbstprofilierers und Narzissten beobachten. Narzissten schaffen es mit traumwandlerischer Sicherheit, sich bei jedem Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Schön zeigen lässt sich das in einem Zitat von Alice Bota in der „Zeit“.
„Als Selenskyj in den USA gemeinsam mit Trump vor die Presse trat, fiel diesem zur Ukraine ein: „Das sind tolle Leute. Ich habe mal vor Jahren einen Schönheitswettbewerb ausgerichtet. Wir hatten eine Gewinnerin aus der Ukraine. Es ist ein Land mit unglaublichem Potenzial!“
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/trump-ukraine-affaere-korruption-5vor8
Nach dem Besuch des ukrainischen Präsidenten beim US-Präsidenten, bei dem normalerweise die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Vordergrund sehen müssen, stellt Trump seinen Schönheitswettbewerb in der Ukraine ins Zentrum.
Und nach dem Besuch des finnischen Präsidenten stehen für Trump nicht Finnland und die USA im Fokus. Er ergeht sich in langen Tiraden und Beschimpfungen gegen seine politischen Gegner, während der finnische Präsident betreten daneben sitzt. Das sind nicht nur Unhöflichkeiten. Der Mann ist so stark in sich gefangen, dass er zu angemessenem Verhalten offensichtlich nicht in der Lage ist.
Ein ähnliches Verhalten zeigt schon seit Jahren der nicht demokratisch gewählte und autokratisch vorgehende Premierminister Boris Johnson in Grossbritannien. Seine Karriere ist seit ihren Anfängen von dreisten Lügen und zweifelhaften Showeinlagen begleitet.
Mir reichts mit Selbstprofilierern, Narzissten und Diffamierern in der Politik. Sie sind fundamental ungeeignet für politische Funktionen in einer Demokratie.
Gehen Sie bitte zur Wahl, aber wählen Sie nur Politikerinnen und Politiker, die Respekt für ihre demokratischen Gegner mitbringen und ihre Positionen zwar engagiert vertreten, aber auch zu konstruktiven Kompromissen fähig sind.