Zu diesem wichtigen Thema hat Ralf Fücks in seinem Buch „Freiheit verteidigen“ anregende und lesenswerte Gedanken formuliert.
Hier dazu einige Zitate und kurze Anmerkungen und Kommentare von mir. Die Ziffern für die Kommentare sind von mir eingefügt:
„Die Demokratie ist nicht nur ein System von Institutionen. Sie lebt von den republikanischen Tugenden ihrer Bürger, ihrem Engagement für die »res publica«.1
Der blosse Gehorsam gegen die Gesetze zeichnet den Untertan aus. Dagegen beruht die Demokratie nach einer klassischen Formulierung Montesquieus auf der »Liebe zur Republik«. Während die absolut gesetzte Gemeinschaft (»Du bist nichts, dein Volk ist alles«2) die individuelle Freiheit vernichtet, verkennt ein rein individueller Freiheitsbegriff3, dass sich die Freiheit des Einzelnen nur im Zusammenspiel mit anderen verwirklichen kann. Bürger sind wir nur, soweit wir uns für die öffentlichen Angelegenheiten interessieren und gemeinsame Vorhaben mit anderen verfolgen, die unserer Idee von Gemeinwohl entsprechen.
Es ist Sache der Bürger, sich im Grossen wie im Kleinen für eine gerechte Gestaltung ihres Gemeinwesens einzusetzen. Ohne die ehrenamtliche Tätigkeit von Millionen wäre unserer Gesellschaft sehr viel ärmer und kälter, und ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft am politischen Leben wäre die Demokratie nur eine leere Hülle. Im Unterschied zum Obrigkeitsstaat ist die demokratische Republik das Werk ihrer Bürger. »Der Staat sind wir!« – wir, das Volk, geben uns eine Verfassung, wählen unsere Repräsentanten und beteiligen uns auf vielfache Weise an den öffentlichen Angelegenheiten.
Die republikanischen Tugenden – Interesse und Engagement für die öffentlichen Angelegenheiten – können nicht erzwungen werden. Sie beruhen auf Freiwilligkeit. Sowenig der demokratische Staat vorgeben darf, wie die Bürger leben sollen, sowenig kann er ihre Anteilnahme am politischen und sozialen Leben vorschreiben4. Wir geraten sonst unversehens auf die schiefe Ebene des Tugendterrors. Dennoch ist die Frage legitim wie dieses Lebenselixier der Demokratie gefördert werden kann…..
Ein Mindestmass an politischer Bildung ist unverzichtbar, um in der modernen Gesellschaft zurechtzukommen5. Sie vermittelt Orientierungswissen, stärkt die Urteilsfähigkeit und ermutigt zur Einmischung in die öffentlichen Angelegenheiten.
Politische Bildung ist auch ein Gegengift zur »postfaktischen« Stimmungsmache in den sozialen Netzwerken, zur Flut von Verschwörungstheorien und der Meinungsmanipulation im Internet. Die Zeit, in der die politische Willensbildung vor allem über Zeitungen und Fernsehen abspielte, geht zu Ende. Die entscheidenden Schlachten werden heute im Internet geschlagen……
Progressive Politik muss den Kampf um die Hegemonie im Netz aufnehmen. Das erfordert die Entwicklung neuer Formate und eines neuen Kommunikationsstils, der Emotionen, Informationen und zugespitzte Argumente verbindet.“
(1) Damit ist ausgedrückt, dass die Demokratie keine Dienstleistungsfirma ist, bei der man Bestellungen aufgeben und entsprechend Lieferungen erwarten kann.
(2) Zentraler Slogan der Nationalsozialisten.
(3) Eine Extremform dieses individualistischen Freiheitsbegriffs vertreten die Libertarier.
(4) Es ist ein Charakteristikum liberaler Demokratien, dass sie im Unterschied zu totalitären Staaten Bürgerinnen und Bürger nicht zu politischen Aktivitäten zwingen können. Aber gleichzeitig existiert keine liberale Demokratie ohne das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Mit diesem Gegensatz müssen liberale Demokratien zu Recht kommen.
Siehe dazu:
Ralf Dahrendorf: „Demokratie braucht Demokraten“
(5) Politische Bildung ist tatsächlich unverzichtbar, aber was macht man mit Leuten, die sich dafür nicht interessieren? Wie lassen sie sich motivieren?
Das Zitat stammt aus dem Buch „Freiheit verteidigen“ (Seite 227/228) von Ralf Fücks. Das Buch bietet gute Grundlagen für die Weiterentwicklung republikanischer Tugenden. Sie können hier im Buchshop eine Buchbesprechung lesen und das Buch auf via buchhaus.ch erwerben,
Ausserdem:
Übersicht meiner eigenen gesellschaftspolitischen Texte und Buchempfehlungen.