Eine Studie aus China kommt zum Schluss, dass regelmäßiger Teekonsum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermindert. Dabei sollen schon geringe Mengen für einen messbaren Effekt reichen.
Regelmäßiger Konsum von Tee reduziert einer grossangelegten Studie zufolge das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das gelte insbesondere für grünen Tee, schreiben chinesische Wissenschaftler nach einer Langzeituntersuchung mit über 100.000 Teilnehmern. Die Studie wurde im „European Journal of Preventive Cardiology“ publiziert. Die Datenlage sei inzwischen so konsistent, dass man grünem und schwarzem Tee eine Kreislauf-protektive Wirkung zusprechen könne, sagt Hans Hauner, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, der nicht an der Studie beteiligt war.
Frühere Studien zu gesundheitlichen Effekten von Teekonsum zeigten uneinheitliche Ergebnisse. Das Forschungsteam um den Epidemiologen Dongfeng Gu vom Peking Union Medical College befragte nun mehr als 100.000 Chinesen, die zu Beginn keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, zu ihrem Teekonsum sowie zu weiteren Lebensgewohnheiten. Anschliessend wurden die Befragten durchschnittlich mehr als sieben Jahre lang beobachtet. In diesem Zeitraum entwickelten knapp 3700 Teilnehmer eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, etwa 1500 starben an einer Herzkrankheit und rund 5500 aus anderen Gründen.
Deutlich tieferes Risiko für Herzerkrankung
Für die Untersuchung teilten die Wissenschaftler die Teilnehmer in zwei Gruppen ein: jene, die wöchentlich mindestens drei Mal Tee tranken, und jene, die solche Getränke seltener konsumierten oder ganz mieden. Die regelmäßigen Teetrinker wiesen im Vergleich zur anderen Gruppe ein um 20 Prozent geringeres Risiko für eine Herzerkrankung auf und eine um 22 Prozent verminderte Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall. Bei den Teekonsumenten im Alter von 50 bis 70 Jahren zeigte sich zudem rechnerisch eine um gut ein Jahr höhere Lebenserwartung als bei Menschen aus der Vergleichsgruppe.
Bei über 14.000 Probanden überprüften die Forscher den Teekonsum im Abstand von mehr als acht Jahren ein zweites Mal. Dieses Resultat fiel den Wissenschaftlern zufolge noch deutlicher aus: Personen, die während der ganzen Zeit regelmäßig Tee konsumierten, hatten in den gut fünf folgenden Jahren ein um 39 Prozent tieferes Risiko für Herzerkrankungen oder einen Schlaganfall als jene Menschen, die seltener Tee tranken oder teeabstinent blieben.
Effekt hauptsächlich bei Grüntee
Dieses Verhältnis zeigte sich jedoch insbesondere für Grüntee, während Schwarztee mit keiner deutlichen Schutzwirkung einherging. „In unserer Studienpopulation konsumierten 49 Prozent der regelmäßigen Teetrinker vorwiegend Grüntee, wohingegen nur 8 Prozent schwarzen Tee bevorzugten“, erklären die Forscher. Diese tiefere Zahl erschwere es, einen Effekt für Schwarztee zu finden.
Grüntee enthält zahlreiche Polyphenole, die etwa den Blutdruck und die Fettwerte reduzieren könnten. Beim fermentierten Schwarztee würden Polyphenole dagegen diese positiven Eigenschaften möglicherweise verlieren, mutmaßen die Wissenschaftler. Zudem werde Schwarztee häufig mit Milch getrunken, was positive Gesundheitseffekte auf die Blutgefäße einschränken könne.
Günstiger Effekt von Tee bei Männern stärker ausgeprägt
Dass sich die günstigen Effekte bei Männern ausgeprägter zeigten als bei Frauen, könnte laut Erstautorin Xinyan Wang daran liegen, dass wesentlich mehr männliche Teilnehmer regelmäßig Tee tranken als weibliche. Ausserdem seien bei Frauen Schlaganfälle und Herzerkrankungen allgemein seltener als bei Männern. Beides erschwere es, etwaige Schutzeffekte des Tees festzustellen.
Die Resultate seien plausibel, schreiben drei italienische Kommentatoren um die Internistin Vanessa Bianconi von der Universität Perugia in der gleichen Fachzeitschrift. Das gelte insbesondere für grünen Tee.
Zwar hätten frühere Studien zu Teekonsum in westlichen Ländern uneinheitliche Resultate gezeigt. Doch infolge der weltweiten Verbreitung von Tee könnten schon kleine individuelle positive Effekte auf Bevölkerungsebene deutliche Wirkungen ergeben.
Der Münchner Ernährungsmediziner Hauner, der im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung sitzt erklärt den gefundenen Zusammenhang vor allem mit der Wirkung von Tee auf die Gefäßfunktion, die den Blutdruck leicht reduzieren könne. Dafür sollen hauptsächlich die sogenannten Katechine verantwortlich sein, die insbesondere in grünem Tee vorkommen und möglicherweise auch den Glukose- und Fettstoffwechsel positiv beeinflussen können. Die gute Nachricht sei, dass schon kleine Teemengen genügen, um einen messbaren Effekt zu bewirken.
Quelle:
https://www.n-tv.de/wissen/Tee-schuetzt-vor-Herz-Kreislauf-Erkrankungen-article21500730.html
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2047487319894685
Kommentar & Ergänzung:
Epigallocatechingallat (EGCG) als Hauptwirkstoff von Grüntee wird seit vielen Jahren mit eindrücklichen Resultaten intensiv im Labor untersucht. Die Studienergebnisse am Menschen sind dagegen viel weniger eindeutig. So auch mit dieser Beobachtungsstudie, auch wenn sie 100 000 Probanden umfasst.
Eine Beobachtungsstudie kann nie mit Sicherheit ursächliche Zusammenhänge belegen. Somit lässt sich aufgrund dieser Ergebnisse nie sicher sagen, dass der Grüntee-Konsum für die gemessene Reduktion des Herz-Kreislauf-Risikos verantwortlich ist. Die positiven Effekte könnten auch von anderen Faktoren ausgelöst werden, die nicht erfasst werden.
So könnten zum Beispiel die Probanden, die viel Grüntee trinken, auch in anderen Punkten gesünder leben – zum Beispiel weniger Cola trinken, weniger Junkfood essen….
Um belastbare Aussagen zu bekommen, müsste eine Studie mit Kontrollgruppe durchgeführt werden: Von zwei Gruppen mit Menschen, die sich in Lebensstil und Ernährungsweise möglichst wenig unterscheiden, bekommt die eine Gruppe Grüntee-Extrakt oder reines EGCG, die andere Gruppe ein gleich aussehendes Scheinmedikament (Placebo). Der Konsum von Grüntee ausserhalb der Studie müsste für beide Gruppen verboten sein. Um vorbeugende Wirkungen zu belegen, müsste die Studie dann optimalerweise über 10 bis 20 Jahre laufen. Solche kontrollierten Studien sind in der Ernährungswissenschaft schwierig durchzuführen. Wer lässt sich schon als Proband auch ein jahrzehntelanges Regime ein.
Mehr zu den Schwierigkeiten der Ernährungswissenschaft hier:
Ernährungswissenschaft: Fragwürdige Studien stiften mehr Verwirrung als Nutzen
Grüntee und Schwarztee ohne Milch gesünder
Dass die Forscher in China wenig Schwarztee-Trinker fanden und daher über die Wirkung von Schwarztee nur schwächere Aussagen machen konnten, ist nicht überraschend. In China wird mehr Grüntee getrunken. Schwarztee sollte aber nicht unterschätzt werden. Er enthält anstelle von EGCG andere antioxidative Stoffe aus der Gruppe der Theaflavine.
Siehe dazu:
Wirkstoffkunde: Theaflavine aus Schwarztee
Dass Milch die Wirksamkeit von Schwarztee abschwächen könnte, wie die Forscher vermuten, ist durchaus möglich.
Siehe dazu:
Grüntee und Schwarztee ohne Milch gesünder
Interessant an der Studie aus China ist zudem, dass gesundheitliche Unterschiede schon bei geringen Mengen Grüntee beobachtet wurden (ab drei Tassen). In Beobachtungsstudien zum Bereich «Grüntee gegen Krebs» zeigten sich Unterschiede erst bei deutlich grösseren Dosen.
Siehe:
Grüntee gegen Krebs wirksam?
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