Das Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT) arbeitet an der Schaffung eines eidgenössisch anerkannten Berufsabschlusses für die nicht-ärztliche Alternativmedizin.
Die Etablierung eines eidgenössischen Abschlusses sei ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung in diesem wachsenden Markt und der Bund strebe eine einheitliche Ausbildung im unübersichtlichen Feld der Alternativmedizin an, hält das BBT fest.
Das tönt gut. Qualitätssicherung in Bereich der Alternativmedizin fehlt bisher fast vollkommen und wäre daher nötig.
Eine verbesserte Qualitätssicherung wurde schliesslich auch den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern versprochen, wenn sie dem Verfassungsartikel zur Förderung der Komplementärmedizin zustimmen (Abstimmung Mai 2009). Besonders weit zum Fenster hinausgelehnt mit leeren Versprechungen haben sich an diesem Punkt – leider – Politikerinnen und Politiker der Sozialdemokratischen Partei (Simonetta Sommaruga, Jean-François Steiert, Edith Graf-Litscher) und der Grünen Partei (Yvonne Gilli), aber auch der Freisinnig-Demokratischen Partei (Rolf Büttiker).
Sie haben Qualitätssicherung im Bereich Komplementärmedizin / Alternativmedizin versprochen, dabei aber die zentrale Frage, nach welchen Kriterien Qualität in diesem Bereich beurteilt werden soll, vollständig ausgeklammert.
Daher noch einmal:
Nach welchen Kriterien genau soll beurteilt werden, wer/was im Bereich Komplementärmedizin / Alternativmedizin Qualität hat und was nicht?
Wer entscheidet über diese Kriterien?
Und nach welchen Kriterien werden diejenigen ausgewählt, die über diese Kriterien entscheiden?
Siehe dazu auch:
Komplementärmedizin-Abstimmung: Fragwürdige Versprechen zur Qualitätssicherung
Politikerinnen und Politiker, die sich nicht mit diesen Fragen befassen und darauf Antworten suchen, machen meines Erachtens eine Politik der leeren, populistischen Versprechungen. Das ist billig und ohne Aufwand zu haben. Qualitätssicherung wird zum inhaltslosen Schlagwort.
Seit der Abstimmung vom Mai 2009 ist ja nun einige Zeit vergangen und wir können schauen, wie sich die versprochene Qualitätssicherung anlässt:
– Es wurde inzwischen eine „Organisation der Arbeitswelt Alternativmedizin Schweiz» (OdA-AM) gegründet und vom Bund bisher mit 174 800 Franken unterstützt. Diese Dachorganisation reglementiert im Auftrag des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT) die Berufsausbildung von nicht ärztlichen Alternativmedizinern. Ziel dieser Arbeit ist die Schaffung von eidgenössisch anerkannten Berufsabschlüssen.
– Mitglied der OdA-AM sind folgende Verbände:
APTN Association des Practiciens en Thérapie Naturelles;
HVS Homöopathie Verband Schweiz;
NVS Naturärztevereinigung Schweiz;
SEBIM Schweizerische Gesellschaft für Energie-, Bioresonanz- und Informationsmedizin;
SBO-TCM Schweizerische Berufsorganisation für TCM;
SVANAH Schweizer Verband der approbierten Naturärztinnen und Naturheilpraktikerinnen;
SVMAV Schweizer Verband für Maharishi Ayurveda;
hfam konferenz höhere fachschulen alternativmedizin;
VSNS Verband Schweizer Naturheilkunde Schulen.
Geht es um die Arbeit dieser Verbände in der OdA-AM um Qualitätssicherung, so wäre die erste Frage, nach welchen Qualitätskriterien diese Verbände ausgewählt wurden.
In diesem Punkt ist nicht ein Hauch von transparenten Qualitätskriterien sichtbar. Es scheint eher eine Frage erfolgreichen Lobbyings zu sein, wer hier Qualitätssicherung machen soll. Das bedeutet dann allerdings das Grounding jeder Qualitätssicherung.
(damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich habe weder die Neigung noch den Wunsch, in der OdA-AM irgendwie mitzuwirken und die Arbeit der OdA-AM begrifft mich nicht, da Phytotherapie nicht zur Alternativmedizin / Komplementärmedizin gehört. Siehe: Gehört Phytotherapie zur Komplementärmedizin?)
– Konkret erarbeitet die OdA-AM Berufsbilder für die vier Fachrichtungen traditionelle chinesische Medizin (TCM), Homöopathie, Traditionelle Europäische Naturheilkunde (TEM) und ayurvedische Medizin, die zu einem eidgenössisch anerkennten Berufsabschluss führen sollen.
Auch hier stellen sich viele Fragen, wenn es bei der Arbeit der OdA-AM und des BBT’s um Qualitätssicherung gehen soll:
Nach welchen Qualitätskriterien wurden diese vier Methoden ausgewählt. Es gibt mehrere hundert verschiedene Methoden in der Alternativmedizin / Komplementärmedizin. Oder muss ich auch hier davon ausgehen, dass es eine Frage des Lobbyings ist, welche Methode berücksichtigt ist?
– Weitere Fragen bezüglich Qualitätssicherung stellen sich, wenn man die einzelnen Fachrichtungen in den Blick nimmt. Wer entscheidet, was in Fachbereich Homöopathie, Traditionelle chinesische Medizin (TCM), Traditionelle Europäische Naturheilkunde (TEM) oder ayurvedische Medizin als Qualität zu gelten hat?
Im Fachbereich Homöopathie gibt es verschiedene Richtungen, deren Grundsätze sich zum Teil widersprechen (z. B. Kompex-Homöopathie, klassische Homöopathie). Wer entscheidet?
Traditionelle Europäische Medizin ist ein sehr junges Konglomerat, zusammengestellt aus denjenigen Puzzle-Teilen der alten europäischen Heilkunde, die den Bedürfnissen heutiger Menschen entgegen kommen. Wer entscheidet nach welchen Kriterien, welche Puzzle-Teile qualitativ überzeugen?
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist als Exportprodukt zugeschnitten auf westliche Bedürfnisse und etwa 65 Jahre alt. Mit der sehr heterogenen alten chinesischen Medizin hat sie nur noch sehr wenig gemeinsam. Auch hier stellt sich die Frage, wer Qualität beurteilen soll.
Und zuletzt noch Ayurvedische Medizin. Hier ist schon ziemlich klar, dass die Sekte des Maharishi Mahesh Yogi, dem Begründer der Transzendentalen Meditation (TM), im Auftrag und mit Unterstützung des BBT’s bestimmt, was Qualität in der Ayurvedischen Medizin ist. Die „Yogi-Flieger“ sind auch im Vorstand der OdA-AM vertreten und steuern so generell mit im Aufbau der eidgenössisch anerkannten Berufbilder in der Alternativmedizin.
Der Tages-Anzeiger berichtete kürzlich über den fragwürdigen Stand der Dinge bezüglich der „Yogi-Flieger-Connection“:
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/YogiFlieger-unterwegs-im-Auftrag-des-Bundes/story/31057135
Es sieht alles danach aus, dass die Qualitätssicherung innerhalb der einzelnen Fachrichtungen auf einem Binnenkonsens erfolgen wird.
Als Binnenkonsens wird ein Konsens bezeichnet, der nur innerhalb eines begrenzten Menschenkreises besteht, hier also aus denjenigen Vertretern der jeweiligen Fachrichtungen, die sich durch Lobbying durchgesetzt haben.
Fazit:
Solange keinerlei transparente und unabhängig von den einzelnen Methoden geltende Qualitätskriterien gelten, täuscht das BBT gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Qualitätssicherung nur vor – während es eigentlich um Lobbying geht. Ist das jetzt die Qualitätssicherung, die uns vor allem die Grüne Partei der Schweiz (GPS) und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) so vollmundig versprochen haben?
Abschliessend:
Meiner Ansicht nach gibt es im Bereich der Alternativmedizin gar keine transparenten und unabhängig von den einzelnen Methoden nachvollziehbaren Qualitätskriterien, wenn wissenschaftliche Kriterien, welche diese Bedingungen erfüllen könnten, ausgeklammert sind.
Es ist mir aber auch klar, dass im Bereich Alternativmedizin wissenschaftliche Qualitätskriterien nicht zur Anwendung kommen können, wenn von diesen Fachbereichen noch etwas übrig bleiben soll.
Ich plädiere daher nicht gegen eine Regulierung durch das BBT.
Die Regulierung und Qualitätssicherung durch das BBT sollte sich aber auf die medizinischen Grundlagenfächer begrenzen, weil dort transparente und über einen Binnenkonsens hinaus nachvollziehbare Kriterien auffindbar sind.
Tut das BBT aber so, als mache es Qualitätssicherung in den Fachbereichen der Alternativmedizin, so gaukelt es den Bürgerinnen und Bürgern etwas vor, das nicht wahr ist.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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