Eine Meta-Analyse von 21 klinischen Studien bestätigt, dass Ginkgo-Extrakt bei Patienten mit Alzheimerdemenz die Kognition verbessert und die Alltagsaktivitäten erleichtert.
Dr. Mengmeng Yang und Kollegen vom Tangdu Hospital in Xi’an untersucht durchforsteten Datenbanken nach Studien und bezogen 21 mit ausreichender Qualität in ihre Meta-Analyse ein.
Die Wissenschaftler fanden von Ginkgo biloba abgesehen für andere Behandlungsformen entweder nur minimale Effekte oder Studien, deren Qualität gering war.
Die Meta-Analyse kam zu folgenden Hauptresultaten: Verglichen mit Placebo hatte Ginkgo-Extrakt einen günstigen Effekt auf die Kognition von Alzheimer-Patienten. Bis auf eine Studie zeigten alle anderen einen deutlichen positiven Effekt auf die Kognition.
Vier Studien zeigten darüber hinaus zudem einen günstigen Effekt von Ginkgo auf die Alltagsaktivitäten der Patienten.
Die Autoren der Meta-Analyse weisen zudem daraufhin, dass eine Reihe randomisierter kontrollierter Studien bei Patienten mit unterschiedlichen Demenzformen ebenfalls günstige Effekte von Ginkgo biloba gezeigt hätten.
Diese Studien wurden in die aktuelle Meta-Analyse nicht aufgenommen, weil der Fokus auf Alzheimer-Demenz lag.
Yang und Kollegen erwähnen zudem, dass in zwei Studien Ginkgo biloba (EGb761®, Tebonin®, in CH: Tebofortin®, Tebokan®) mit dem Cholinesterasehemmer Donepezil bei Patienten mit leichter bis moderater Alzheimer-Demenz verglichen wurde. Hier hätten sich keine Differenzen zwischen den Wirkstoffen gezeigt.
Nach Ansicht der Studienautoren weist das daraufhin, dass die Effektivität von Ginkgo-Extrakt durch dessen modulierenden Einfluss auf das cholinerge System erklärt werden kann.
Zudem habe der Ginkgo-biloba-Extrakt EGb761® in mehreren präklinischen Studien fast alle Aspekte der neuronalen Plastizität verbessert.
Quelle:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/demenz/article/866654/phytotherapie-nutzen-ginkgo-alzheimer-bestaetigt.html?sh=5&h=392834615
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24871648
(Am J Chin Med 2014; 42: 505-521)
http://www.worldscientific.com/doi/abs/10.1142/S0192415X14500335
Kommentar & Ergänzung:
Erfreulich positiv, diese Meta-Analyse, deren Qualität ich allerdings nicht beurteilen kann.
(Was eine „Metaanalyse“ist, erklärt hier Wikipedia)
Das IQWiG war in seinem Bericht zur Studienlage bei Ginkgo zurückhaltender. Es sah Belege für eine positive Wirkung auf die „Aktivitäten des täglichen Lebens“ bei einer Dosis von 240 mg Trockenextrakt pro Tag. Für eine Verbesserung der geistigen Fähigkeiten, der psychischen Verfassung und der Lebensqualität von betreuenden Angehörigen sieht das IQWiG allerdings nur Hinweise, keine eindeutigen Belege.
Siehe dazu:
Metastudie zeigt: Alzheimer-Kranke können von Ginkgo-Extrakt profitieren
Ausserdem:
Demenz: Ginkgo-Extrakt bessert Kognition und Verhalten
Die Ginkgo-Forschung zeigt deutlich, dass die Wirkung dosisabhängig ist, und dass es hochkonzentrierte Extrakte braucht, wenn man von den Präparaten im Frühstadium von Demenz eine Wirkung erwartet.
Die Anwendung von Kräutertee ist gegenüber einem Extrakt nicht immer unterlegen – bei Ginkgo biloba aber schon. Ginkgotee enthält zuwenig Wirkstoffe und zudem noch unerwünschte Substanzen (Ginkgolsäuren mit allergenem Potenzial), die bei der Extraktherstellung entfernt werden.
Siehe:
Auch Ginkgotinktur ist unterdosiert.
Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass jede medikamentöse Beeinflussung von Alzheimer oder von anderen Demenzformen leider in der Wirkung sehr limitiert ist.
Nicht nachvollziehen kann ich, wenn die Autoren aus einer vergleichbaren Wirkung von Ginkgo-Extrakt und dem Cholinesterasehemmer Donepezil den Schluss ziehen, dass Ginkgo ebenfalls via cholinerges System wirkt. Eine klinische Wirkung kann identisch sein, auch wenn die Wirkungsmechanismen sich unterscheiden. Theoretisch ist sogar denkbar, dass beide – Ginkgo-Extrakt und Donepezil – nur einen Placeboeffekt haben – dann wären sie ebenfalls vergleichbar wirksam. Es gibt allerdings pharmakologische Untersuchungen, die eine Wirkung via Cholinesterasehemmung nahelegen.
Vorbeugende Wirkung von Ginkgo fraglich
Ginkgo ist eine sehr interessante Heilpflanze, bei der allerdings noch viele Fragen zur Wirkung und zu den geeigneten Anwendungsbereichen offen sind.
Viele Konsumentinnen und Konsumenten nehmen Ginkgo-Präparate vorbeugend, weil sie Angst davor haben, an Demenz zu erkranken.
Doch genau diese vorbeugende Wirkung konnte bisher nicht in Studien belegt werden.
Siehe dazu:
Ginkgo-Studie findet keine vorbeugende Wirkung
Auch ist es fraglich, ob ein gesundes Gehirn mit Ginkgo in relevantem Mass in seiner Leistung verbessert werden kann. Der Traum vieler Studentinnen und Studenten nach einem völlig unschädlichen, rein natürlichen und zugleich hoch wirksamen Hirndoping-Mittel ist wohl generell nicht sehr realistisch. Zu Ginkgo-Extrakt gibt es für diesen Anwendungsbereich widersprüchliche Studien, die insgesamt – und vor allem gemessen an den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten – bisher nicht überzeugend sind.
Als Vorteil kann allerdings gelten, dass dem Ginkgo-Extrakt die Risiken der häufig zu Hirndoping-Zwecken missbrauchten synthetischen Substanzen wie Methylphenidat (z.B. Ritalin®) und Modafinil völlig abgehen.
Siehe dazu:
Hirndoping: Forscher befürchten langfristig negative Folgen
Hirndoping an Universitäten verbreitet
Die Einnahme von psychoaktiven Substanzen mit dem Ziel der geistigen Leistungssteigerung wird auch unter dem Begriff pharmakologisches Neuro-Enhacement diskutiert. Einen Überblick dazu gibt Wikipedia (auch zu den ethischen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen).
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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