Huflattich stärke den Willen, lese ich in einem Internet-Beitrag.
Er soll den Pionier in uns wecken und helfe den Menschen, sich durchzusetzen, aber auch, sich selber treu zu bleiben. Huflattich helfe, für ein paar Tage oder Wochen auf einige Verführungen zu verzichten und den guten Vorsätzen treu zu bleiben, indem er den Willen stärke………
Solche Beschreibungen sind Assoziationen und Fantasien über Pflanzen. Sie haben mit der Person zu tun, die solche Assoziationen und Fantasien hat. Mit der Pflanze, um die es hier geht, haben sie nichts zu tun.
Der Heilpflanze Huflattich werden hier Eigenschaften angedichtet, die nur im Kopf der „Dichterin“ vorhanden sind. Die Pflanze wird quasi als Depot für eigene Assoziationen und Fantasien benutzt.
Es ist natürlich gar nichts dagegen einzuwenden, wenn Pflanzen unsere Assoziationen und Fantasien anregen. Im Gegenteil, das macht einen Teil ihrer Faszination aus.
Fragwürdig ist nur, wenn man nicht erkennt, dass es sich bei solchen Beschreibungen um Eigenproduktionen handelt, und glaubt, es handle sich um Eigenschaften der Pflanze.
Und wenn – wie in dem erwähnten Internet-Beitrag – eine Naturheilpraktikerin solche Beschreibungen liefert und ihre Patientinnen und Patienten danach behandelt, dann baut sie ihre Behandlung auf den eigenen oder fremden Fantasien und Assoziationen auf.
Und weil es im Bereich Komplementärmedizin / Naturheilkunde keine Qualitätssicherung gibt, kann das jeder und jede so machen. Man trifft heutzutage zum Beispiel Beschreibungen über das „Wesen der Pflanzen“, die reine Fantasieprodukte sind. Auf dieser Basis Therapieempfehlungen abzugeben, ist höchst fragwürdig.
Siehe:
Die fragwürdige Rede vom Wesen der Pflanzen
Wesen und Signatur der Heilpflanzen – Gänseblümchen
Zum Wesen der Heilpflanzen – Storchenschnabel gegen Schock
Huflattichtee trinken und schwupps, schon bin ich willensstark und durchsetzungsfähig. Die ideale Heilpflanze für Soldaten und Manager…….aber eigentlich kann das doch jeder und jede brauchen. Trinken wir doch alle Huflattichtee!
Aber halt, dann gleicht sich das ja wieder aus, wenn alle willensstark und durchsetzungsfähig werden. Also trinken Sie besser heimlich Huflattichtee und erzählen Sie es niemandem weiter….
Und wie praktisch, dass Huflattich gleich auch noch hilft, auf gewisse Verführungen zu verzichten. Dazu sind aber noch genauere Untersuchungen nötig zur Art der Verführung, gegen die Huflattich helfen soll.
Im Ernst: Wenn das so einfach wäre mit Durchsetzungsfähigkeit und Willensstärke. Gibt es tatsächlich Leute die glauben, dass uns der Huflattich diese Arbeit netterweise abnimmt?
Vielleicht weil er spezielle Kompetenzen hat im Bereich „Durchsetzungsfähigkeit“ als Pflanze, die schon bald nach dem Schnee kommt?
Dann könnte man ja Huflattich allenfalls als Symbol für Durchsetzungsfähigkeit nehmen.
Dann wäre es aber wichtig zu verstehen, dass Symbole von Menschen geschaffen werden und keine Eigenschaft der Pflanze sind.
Nachtrag:
Der Mensch ist – nach Ernst Cassirer (1874 – 1945) ein „animal symbolicum“, das heisst ein symbolbildendes und symbolverwendendes Wesen. Der Mensch hat nur über Symbole einen Wirklichkeitsbezug. Der Begriff „animal symbolicum“ hebt die typisch menschliche Fähigkeit hervor, Symbole hervorzubringen und in einer Welt der Symbole zu denken und zu leben.
In seinem Hauptwerk Philosophie der symbolischen Formen und vor allem in seinem anthropologischen Spätwerk Versuch über den Menschen erläutert Ernst Cassirer den Begriff. Wikipedia zum „animal symbolicum“:
„Der Mensch lebt nicht in einer rein physischen Umwelt, sondern in einem symbolischen Universum. Sprache, Mythos, Kunst, Religion und alle anderen Bereiche kulturellen Wirkens bilden die Fäden des symbolischen Gewebes. Jeder Fortschritt des menschlichen Denkens und der menschlichen Erfahrung verstärkt und erweitert dieses Gewebe…. Der Mensch zeichnet sich…..dadurch aus, dass er der Welt über das Symbol sowohl individuelle als auch kollektiv konnotierte Bedeutung verleiht.“
P.S: Huflattich (Tussilago farfara) blüht im Flachland jetzt im März (Volksnamen: Märzeblüemli, Teeblüemli, Zitröseli). In der Phänologie fällt seine Blühphase in den Vorfrühling
Es lohnt sich, die hübsche Pflanze zu beachten.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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