Ich arbeite seit über zwei Jahrzehnten als Dozent für Phytotherapie in Naturheilkunde-Ausbildungen und Naturheilkunde-Weiterbildungen mit. Und ich habe über Heilpflanzen-Kurse und Heilkräuter-Exkursionen auch häufig Kontakt mit ausgebildeten Naturheilpraktikerinnen und Naturheilpraktikern.
Mich erschüttert dabei immer wieder, wie unkritisch und zum Teil dogmatisch viele Naturheilkundler nachbeten, was ihnen offenbar in ihrer Ausbildung oder Weiterbildung aufgetischt wurde.
Es ist meiner Erfahrung nach eine klare und kleine Minderheit, welche zu selbstkritischer Reflexion der eigenen Therapiemethoden fähig ist (es gibt aber eine solche Minderheit).
Meines Erachtens deutet dies auf gravierende Mängel in der Naturheilkunde-Ausbildung hin. Dabei geht es weniger um die Inhalte der Ausbildung als um die vermittelte Grundhaltung.
Meiner Ansicht nach wären folgende Punkte wichtig:
– In Naturheilkunde-Ausbildungen sollen vermehrt auch Risiken, Grenzen und Defizite der jeweiligen Methoden thematisiert werden. Es ist zu stark, zu fraglos, zu blind und zu einseitig von wunderbaren Wirkungen die Rede.
– In Naturheilkunde-Ausbildungen braucht es mehr Begründungen und weniger dogmatische Behauptungen.
– Lernende in Naturheilkunde-Ausbildungen sollen vermehrt angeleitet werden, die präsentierten Lerninhalte auch in Frage zu stellen und nicht nur blind nachzubeten (Wer? Was genau? Wie genau? Wo? Warum? etc. ). Eine solche Grundhaltung ist Basis für einen sorgfältigen Umgang mit vermitteltem Wissen.
– Die Bereitschaft zur Kooperation mit der Medizin darf in der Naturheilkunde-Ausbildung nicht nur ein Lippenbekenntnis sein.
Eine solche Pseudo-Kooperationsbereitschaft liegt meines Erachtens vor, wenn die Medizin im Unterricht permanent und undifferenziert abgewertet wird – im Sinne von Schwarz und Weiss, bzw. Gut und Böse. Meiner Erfahrung nach gibt es im Bereich Naturheilkunde / Komplementärmedizin eine starke Neigung, das eigene Lager fraglos als gut, moralisch überlegen, lebens- und menschenfreundlich zu sehen – im Kontrast zur menschen- und lebensfeindlichen Medizin.
Dieses allzu simple Schwarz-Weiss-Denken ist durch eine differenziertere Betrachtung abzulösen, welche Schwachpunkte und Stärken beider Bereiche präzis thematisiert und gegebenenfalls kritisiert.
Ich bin überzeugt davon, dass eine vermehrte Berücksichtigung dieser Punkte für die Entwicklung der Naturheilkunde fruchtbar wäre.
Zudem scheint mit klar, dass die Naturheilkunde hier auch in der Verantwortung steht gegenüber ihren Patientinnen und Patienten., sind doch die erwähnten Punkte meines Erachtens zentral für die Qualitätssicherung.
Weitere Infos diesem Thema:
Naturheilkunde: Sorgfältig prüfen lernen!
Naturheilkunde: Kritisch nachfragen statt blind glauben!
Naturheilkunde braucht kritische Auseinandersetzung!
Phytotherapie-Ausbildung – Gedanken zur Qualitätssicherung
Naturheilkunde-Ausbildung – was Sie wissen sollten
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
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