Die Webplattform heute.at berichtet über ein Expertengespräch zur Homöopathie und zitiert dabei einen „Martin Peithner, Vorsitzender des ‚Fachausschusses für Homöopathie’“:
„Die Inquisition ist zurück……..Wir haben eine gute Chance, verbrannt zu werden, wenns nach unseren Kritikern geht.“
Quelle:
http://www.heute.at/lifestyle/gesundheit/art23696,1144972
Kommentar & Ergänzung:
Uff – das ist eine inakzeptable Verharmlosung der Inquisition.
In der Inquisition wurden sogenannte Ketzer verfolgt. Dabei kam auch Folter zur Anwendung und es wurden manchmal auch Todesurteile ausgesprochen und vollstreckt.
Und was passiert der Homöopathie? Sie wird mit kritischen Einwänden „misshandelt“. Zum Beispiel durch Norbert Aust im Blog „Beweisaufnahme Homöopathie“.
Erfüllt das schon den Tatbestand der Folter?
Es wäre doch einfach schön, wenn Herr Peithner und der „Fachausschuss für Homöopathie“ auf kritische Argumente mit Gegenargumenten reagieren würden – und nicht mit dieser ausgesprochen weinerlichen Opfer-Inszenierung.
Fakt ist: Von den Arzneimittelbehörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird die Homöopathie hoch privilegiert. Homöopathika sind vom Wirksamkeitsnachweis befreit. Sie dürfen als Heilmittel verkauft werden, ohne dass die Hersteller die Wirksamkeit ihrer Präparate belegen müssen.
Gegenüber den „chemischen“ Medikamenten ist das eine ausgesprochene Bevorzugung. Es gibt also kein Opfer „Homöopathie“ – und schon gar kein Inquisitionsopfer.
Martin Peithner sollte das wissen, ist er doch Geschäftsführer der Homöopathie-Firma Dr. Peithner KG – eine Interessensbindung, die heute.at im Artikel unterschlägt. Homöopathika-Hersteller brauchen dank der Befreiung vom Wirksamkeitsnachweis keinen Franken bzw. Euro in die Forschung zu investieren.
„Vorsitzender des Fachausschusses für Homöopathie“ – das tönt sachlich, expertenhaft und neutral – dass der Mann hauptberuflich Homöopathika-Verkäufer ist, wäre aber zur Einschätzung seiner Glaubwürdigkeit nicht ganz unwichtig.
Der Text auf heute.at ist ein Beispiel für fragwürdige und irreführende Berichterstattung.
Eine gewisse Privilegierung gibt es im übrigen auch bei Phytopharmaka, wenn auch nicht so radikal wie bei Homöopathika.
Traditionelle Heilpflanzen-Anwendungen wie zum Beispiel Kamillentee sind vom Wirksamkeitsnachweis befreit. Neu entwickelte Extrakt-Präparate müssen aber ihren Nutzen belegen.
Phytoparmaka-Hersteller, die nicht nur althergebrachtes verkaufen, sondern moderne Produkte entwickeln, haben daher einen nicht zu unterschätzenden Forschungsaufwand. Auch kommen Phytopharmaka in der Schweiz nur mit Wirksamkeitsstudien auf die Liste der Präparate, die durch die Grundversicherung bezahlt werden. Homöopathika und Anthroposophika werden dagegen ohne Wirksamkeitsnachweis von den Krankenkassen bezahlt.
Dass die Inszenierung der Homöopathie als armes, unschuldiges Opfer, wie sie Martin Peithner zelebriert, vollkommen deplaziert ist, zeigt sich auch an anderen Beispielen im „homöopathischen“ Umgang mit Kritik.
Da werden Kritiker schon mal mit Einschüchterungsversuchen eingedeckt:
Homöopathie-Konzern Boiron: Einschüchterungsversuch gegen Kritiker
Oder es wird ein Journalist bezahlt, damit er Homöopathie-Kritiker mit einer diffamierenden Internetkampagne schlecht macht:
Homöopathie-Lobby im Netz: Schmutzige Methoden der Sanften Medizin
Das hier beschriebene Phänomen betrifft nicht nur die Homöopathie. In weiten Bereichen von Komplementärmedizin, Alternativmedizin und Naturheilkunde fehlt ein konstruktiver Umgang mit Kritik. Stattdessen findet man Opferlegenden, wie oben im Beispiel mit Dr. Peithner, oder Verschwörungstheorien („Die böse Pharmaindustrie“).
Kritik mit starken Argumenten ist aber wichtig für jeden Fortschritt des Wissens. Kritik trägt dazu bei, Irrtümer und Fehler zu entdecken und zu überwinden.
Ohne fundierte Kritik mit Argumenten ist es kaum möglich, sich eine eigenständige Meinung über Versprechungen zu bilden. Ohne Kritik setzt sich durch, was am lautstärksten propagiert wird.
Siehe auch:
Naturheilkunde braucht kritische Auseinandersetzung
Komplementärmedizin – genauer nachdenken, differenzierter argumentieren
Pflanzenheilkunde: Kritische Reflexion statt Missionarismus
Komplementärmedizin: Mehr Argumente – weniger fraglose Gläubigkeit
Naturheilkunde: Kritische Fragen unerwünscht?
Mehr Kontroverse in Komplementärmedizin / Naturheilkunde / Pflanzenheilkunde
Komplementärmedizin – Naturheilkunde – Pflanzenheilkunde: Nachfragen statt blind glauben!
Naturheilkunde: selber denken statt blind glauben
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
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