Die „Süddeutsche“ publizierte unter dem Titel „Globulisierung des Kreißsaals“ einen ausführlichen Artikel über die Anwendung von Alternativmedizin in der Geburtshilfe durch Hebammen:
„Viele Hebammen suggerieren, ohne Homöopathie, Aromatherapie, Akupunktur oder andere sogenannte alternative Behandlungen könne kein Kind zur Welt kommen. Schwangere lassen sich häufig darauf ein, weil diese Mittel als natürlich und dadurch automatisch als sicher gelten. Aber stimmt das überhaupt?“
Der Artikel spitzt an einigen Stellen für meinen Geschmack etwas allzu polemisch zu. Auch würde ich mich sehr dagegen wehren, wenn es darum gehen sollte, den Hebammenberuf generell zu diffamieren. Dieser Beruf soll seinen Stellenwert behalten und an machen Punkten meines Erachtens sogar ausbauen können.
Die „Süddeutsche“ spricht aber tatsächlich ein verbreitetes Phänomen an, das eine ganze Reihe von Fragen aufwirft.
Dazu Zitate aus dem Artikel mit Bezug zur Phytotherapie / Pflanzenheilkunde:
(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/alternativmedizin-die-globulisierung-des-kreisssaals-1.1197133-4)
„In der 34. Schwangerschaftswoche nimmt der Wahnsinn Schwung auf. Von dieser Zeit an sollte die Frau täglich drei bis vier Tassen Himbeerblättertee trinken, einen Esslöffel geschrotete Leinsamen essen und den Damm regelmäßig mit einer Mischung aus Johanniskraut- und Weizenkeimöl unter Zugabe von Muskatellersalbei- und Rosenöl massieren.“
Die Tipps mit den Himbeerblättern und den Leinsamen stammen von der Hebamme Ingeborg Stadelmann. Gegen die Kritik, die Wirksamkeit solcher Therapien sei nicht belegt, wehrt sich Ingeborg Stadelmann:
„Es handele sich um traditionelles Wissen, das durch Erfahrung ausreichend überprüft worden sei, lautet das Gegenargument des stolzen und vielleicht auch etwas störrischen Berufsstandes der Hebammen. ‚Auf evidenzbasierte Medizin lasse ich mich nicht ein’, sagt etwa Stadelmann, ‚wir Hebammen kommen aus der Erfahrungsmedizin und was seit Jahrzehnten erfolgreich ist, kann nicht falsch sein.’“
In diesen Aussagen gibt es gleich mehrere Punkte, an denen sehr kritisches Nachhaken nötig ist.
1. Ich lasse mich gerne belehren. Aber die von Ingeborg Stadelmann zur Geburtserleichterung propagierten Heilpflanzen-Anwendungen Himbeerblättertee und Leinsamen basieren meines Erachtens nicht auf traditionellem Wissen. Ich befasse mich intensiv mit der Geschichte der Pflanzenheilkunde. Himbeerblättertee und Leinsamen für diesen Anwendungsbereich sind mir noch nie begegnet. Wer sich auf traditionelles Wissen beruft und derart ausgefallene Angaben dazu macht, sollte meiner Ansicht nach zumindestens angeben, woher er bzw. sie dieses Wissen hat (Quellenangabe).
2. Tradition allein reicht nicht als Begründung, weil Tradition sich schon tausendmal geirrt hat. Die Medizingeschichte ist voll von Irrtümern, ebenso die Geschichte der Hebammenkunst.
Sieh dazu auch:
Komplementärmedizin: Hat Tradition Recht?
3. „Erfahrungsmedizin“ ist zwar ein gutes Schlagwort, aber auch „Erfahrung“ genügt nicht als Begründung. „Erfahrung“ zeigt den Irrtum nicht einfach so. Unsere Theorien und Überzeugungen steuern, welche Erfahrungen wir machen. Unsere Theorien und Überzeugungen beeinflussen die Interpretation unserer Erfahrungen. Und unsere Theorien und Überzeugungen sind massgeblich dafür, welche unserer Erfahrungen wir erinnern – diejenigen, die mit unseren Theorien und Erfahrungen kompatibel sind – und welche wir vergessen – nämlich diejenigen, die unseren Theorien und Erfahrungen widersprechen.
Sieh auch:
Naturheilkunde braucht sorgfältigeren Umgang mit Erfahrung
Pflanzenheilkunde: Erfahrung allein genügt nicht zur Begründung
4. Zu hoffen ist einfach, dass Ingeborg Stadelmann wenigstens dann nicht ganz auf Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin verzichtet, wenn es ernsthaft um Geburtshilfe geht, zum Beispiel um Blutstillung. Evidenzbasierte Medizin versucht ja nur herauszufinden, welche Massnahmen wirksam sind und welche nicht. Eine Hebamme, welcher diese Unterschiede egal sind, wäre fraglos ein Risiko für Mutter und Kind. Aber vielleicht ist das ja ein alternativer Trend – Traditionelle Hebammenkunst (THK), sanft und natürlich wie vor 400 Jahren…..
5. Ingeborg Stadelmann begründet die Anwendung von Himbeerblättertee in Buch „Hebammensprechstunde“ so:
„Die Himbeerblätter in der Rezeptur helfen allen schwangeren Frauen zur Auflockerung der Muskulatur im kleinen Becken. Der gesamte Stoffwechsel erhält Unterstützung., der Ausscheidungsprozess über den Darm wird auch durch die Himbeerblätter angeregt.“
(Seite 33, Für die mittleren drei Monate der Schwangerschaft empfohlen)
Kommentar:
Auflockerung der Muskulatur im kleinen Becken? In der Phytotherapie ist bisher keine Heilpflanze und kein Wirkstoff bekannt, der diesen Effekt auslösen könnte. Und die Muskulatur wird nur im kleinen Becken aufgelockert? Selektiv die Beckenbodenmuskulatur? ? Schwer vorstellbar. Oder generell alle Muskeln? Hat das dann nicht auch unerwünschte Nebenwirkungen? Wird damit nicht die Rückbildung schwieriger nach der Geburt? – Ich selber glaube nicht an solche Risiken, weil ich nicht von einer muskelauflockernden Wirkung der Himbeerblätter ausgehe. Aber wenn man wie Ingeborg Stadelmann davon überzeugt ist, dass Himbeerblättertee die Muskeln auflockert, müsste man sich diese Fragen schon stellen.
„Eine Teekanne mit Himbeerblättertee, da dieser die Wehentätigkeit gut unterstützt.“
(Seite 112, für die letzten sechs Wochen der Schwangerschaft empfohlen)
Kommentar:
Wehentätigkeit unterstützen in den letzten sechs Wochen der Schwangerschaft. Könnte das nicht zu einer Frühgeburt führen? Warum nicht erst vor dem Geburtstermin?
„Himbeerblättertee
Ab der vollendeten 34. Schwangerschftswoche rate ich zum regelmässigen Genuss von Himbeerblättertee….Die Wirkungsweise der Himbeerblätter bei Schwangeren ist noch nicht wissenschaftliche bewiesen. Es gibt jedoch sehr viele Hebammen, die auf Himbeerblättertee schwören, und das ist Beweis genug. Wir Hebammen sagen diesem Kraut nach, dass es die Muskulatur des kleinen Beckens stark auflockert. Es ist bekannt, dass Himbeerblätter auf die glatte Muskulatur des Darmes eine entgiftende und entschlackende Wirkung besitzen. Das bedeutet, dass der Stoffwechselprozess über den Darm angeregt wird und die Entschlackung trägt dazu bei, dass der ganze Körper gesund bleibt. Ein gesunder Körper wiederum ist fähig, eine Geburt in einem normalen Zeitraum zu leisten. Eine regelmässige Darmtätigkeit bedeutet zudem eine gute Darmperistaltik, und da der Darm direkt an der Gebärmutterwand entlang verläuft, wird die Uterusmuskulatur dabei ständig mit angeregt, aktiv zu sein. Dies ist sicher der Grund dafür, dass den Himbeerblättern eine wehenfördernde Wirkung zugeschrieben wird. Immer wieder berichten mir Frauen, dass sie einen Hautausschlag am Bauch beobachten, seit sie Himbeerblättertee trinken. ….Dieser Hautausschlag ist ein Zeichen dafür, dass ein Entgiftungsprozess in Gang gekommen ist, aber Leber und Nieren mit dem Ausscheidungsprozess überfordert sind und die Haut als Ausscheidungsorgan benutzt wird. Hautausschlag und eventueller Juckreiz müssen nicht immer als Allergie bezeichnet werden, wir müssen wieder lernen, die Haut als Ausscheidungsorgan des Körpers zu betrachten und diese nicht zu unterdrücken. Es ist ein völlig normaler und gesunder Prozess, wenn Giftstoffe bis auf die Haut nach aussen vordringen und nicht mehr im Innersten unseres Körpers abgelagert werden. Nach einiger Zeit vergeht dieser Ausschlag meistens wieder.“
(Seite 126, In den letzten sechs Wochen der Schwangerschaft empfohlen)
Kommentar:
Schauen wir uns diesen Abschnitt Schritt für Schritt an:
„Es gibt jedoch sehr viele Hebammen, die auf Himbeerblättertee schwören, und das ist Beweis genug.“
Nein, das genügt nicht. Dogmatische Behauptungen reichen nicht. Ich erwarte gar keine Beweise. Nur eine gewisse Plausibiliät. Es ist eine Frage der Würde, dass man plausible, nachvollziehbare Begründungen liefert und bekommt. Das ist unter anderem die Basis einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Dogmatische Behauptungen aufstellen und dogmatische Behauptungen fraglos akzeptieren, das gehört in eine Diktatur oder in ein Guru-System. Wenn „sehr viele Hebammen..auf Himbeerblättertee schwören, dann zeigt das meines Erachtens nur, dass sehr viele Hebammen ohne nachzudenken Ingeborg Stadelmann nachbeten. Das halte ich für fragwürdig und unprofessionell.
„Wir Hebammen sagen diesem Kraut nach, dass es die Muskulatur des kleinen Beckens stark auflockert. Es ist bekannt, dass Himbeerblätter auf die glatte Muskulatur des Darmes eine entgiftende und entschlackende Wirkung besitzen.“
Was heisst hier „Wir Hebammen…“? Alle?
Und nochmals: Muskelauflockerung selektiv im kleinen Becken? Weder in der Tradition noch in der modernen Phytotherapie ist meines Wissens „bekannt“, dass Himbeerblätter auf die glatte Muskulatur des Darms eine „entgiftende und entschlackende Wirkung“. Ingeborg Stadelmann ist meines Eindruck nach die erste, die das so behauptet hat, und viele Anhängerinnen beten das gläubig nach.
Um welche Gifte soll es sich dabei handeln? Und wie genau soll die Muskulatur durch entgiften und entschlacken aufgelockert werden? Sehr abenteuerliche Phantasie. Immer wenn von „Schlacken“ die Rede ist, ist grösste Skepsis angebracht, weil niemand erklären kann, was denn genau diese Schlacken sein sollen.
Siehe:
Entschlackung – unnötig und ungesund
Schlackenstoffe – ein Phantom macht Karriere
Entgiften und Entschlacken – höchst fragwürdige Versprechungen
„Das bedeutet, dass der Stoffwechselprozess über den Darm angeregt wird und die Entschlackung trägt dazu bei, dass der ganze Körper gesund bleibt………Eine regelmässige Darmtätigkeit bedeutet zudem eine gute Darmperistaltik, und da der Darm direkt an der Gebärmutterwand entlang verläuft, wird die Uterusmuskulatur dabei ständig mit angeregt, aktiv zu sein. Dies ist sicher der Grund dafür, dass den Himbeerblättern eine wehenfördernde Wirkung zugeschrieben wird.“
Das ist nebulöses Gerede: Welche Stoffwechselprozesse werden über den Darm angeregt? Wie trägt Entschlackung (welche „Schlacken?) dazu bei, dass der ganze Körper gesund bleibt? Und dass eine regelmässige Darmtätigkeit eine gute Darmperistaltik bedeutet, ist ziemlich banal. Das die Darmperistaltik möglicherweise die Uterusmuskulatur beeinflusst, würde ich nicht ausschliessen. Es gibt aber keine Hinweise dafür, dass Himbeerblätter die Darmperistaltik anregt, also wird er auf diesem Weg auch kaum wehenfördernd wirken. Sollte Himbeerblättertee aber tatsächlich wehenfördernd wirken, wären auch Situationen denkbar, in denen er kontraindiziert sein müsste.
„ Immer wieder berichten mir Frauen, dass sie einen Hautausschlag am Bauch beobachten, seit sie Himbeerblättertee trinken. ….Dieser Hautausschlag ist ein Zeichen dafür, dass ein Entgiftungsprozess in Gang gekommen ist, aber Leber und Nieren mit dem Ausscheidungsprozess überfordert sind und die Haut als Ausscheidungsorgan benutzt wird. Hautausschlag und eventueller Juckreiz müssen nicht immer als Allergie bezeichnet werden, wir müssen wieder lernen, die Haut als Ausscheidungsorgan des Körpers zu betrachten und diese nicht zu unterdrücken. Es ist ein völlig normaler und gesunder Prozess, wenn Giftstoffe bis auf die Haut nach aussen vordringen und nicht mehr im Innersten unseres Körpers abgelagert werden. Nach einiger Zeit vergeht dieser Ausschlag meistens wieder.“
Welche Giftstoffe kommen da zur Haut raus und zeigen sich als Hautausschlag? Hier werden meines Erachtens der Schwangeren „Giftstoffe“ eingeredet. Frauen sind ja in der Geschichte immer wieder als unrein und giftig hingestellt worden. Eine „schöne“ Tradition, die Ingeborg Stadelmann hier weiterführt.
6. Zur Empfehlung von Leinsamen schreibt Ingeborg Stadelmann:
„Ebenfalls ab der 34. Schwangerschaftswoche ist es ratsam, täglich einen Esslöffel geschroteten Leinsamen zu essen. Der Volksmund sagt dem Leinsamen nach, dass er die Kinder ‚flutschen’ lässt. Leinsamen hat eine gute Wirkung auf die Schleimhäute, Am bekanntesten ist die Reaktion der Darmschleimhaut. Viele Schwangere bestätigen die schleimfördernde Wirkung im Bereich der Scheidenschleimhäute. Bei regelmässigem Verzehr von frisch geschrotetem Leinsamen tritt eine vermehrte Scheidenschleimproduktion auf, deren geburtsfördernde Wirkung sicher allen Frauen einleuchtet. Die ebenfalls bekannte stuhlregulierende Wirkung hat sicher denselben Effekt auf die Uterusmuskulatur wie die Wirkung der Himbeerblätter, d. h. durch die verstärkte Peristaltik wird die Gebärmuttermuskulatur mit angeregt. Bitte achten Sie bei der Verwendung von geschrotetem Leinsamen darauf, dass sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, da sonst eher das Gegenteil eintritt, nämlich Verstopfung. Wichtig zu wissen scheint mir, dass bei Verwendung von nur einem Esslöffel keine abführende, sondern eine stuhlregulierende Wirkung eintritt.“
(Seite 126)
Kommentar:
Im „Volksmund“ verbreitet ist dieser Tipp meinem Eindruck nach erst seit ihn Ingeborg Stadelmann propagiert – tausendfach unkritisch abgeschrieben ist er zu finden im Internet.
Als Begründung für diese angebliche Wirkung wird meistens darauf hingewiesen, dass die Leinsamen selbst viel Schleim enthalten.
Dazu ist allerdings zu sagen, dass der Leinsamenschleim aus dem Verdauungstrakt nicht resorbiert wird. Wie also soll er in der Scheide für mehr Schleim sorgen?
Und wie bei den Himbeerblättern stellt sich die Frage, ob es sich um eine selektive Wirkung handelt.
Soll der Leinsamen selektiv nur in der Scheide die Schleimproduktion anregen? Warum nicht auch in den Bronchien, in der Nase? Das müsste doch den langjährigen Leinsamenkonsumenten aufgefallen sein. Eine spezifische Steigerung der Schleimproduktion in der Scheide ist nur vorstellbar über irgendeinen spezifischen hormonellen Vorgang (der aber als Begründung für diesen Tipp meines Wissens noch nie postuliert wurde).
Leinsamen enthält Phytoöstrogene vom Lignan-Typ. Das körpereigene Östrogen sorgt gegen Ende der Schwangerschaft dafür, dass sich im Geburtskanal vermehrt Schleim bildet, der sogenannte Zervixschleim. Gegen Ende der Schwangerschaft steigt die Östrogenausschüttung allerdings sowieso an.
Ob da ein bisschen Lignan auf dem Hintergrund des hohen körpereigenen Östrogenspiegels noch eine Rolle spielt, ist sehr fraglich. Warum trauen die Leinsamen-propagandierenden Hebammen um Ingeborg Stadelmann hier nicht den natürlichen Vorgängen? Warum braucht es einen „Eingriff“ von aussen? Wird damit nicht das Vertrauen in die Kompetenz des eigenen Organismus in Frage gestellt?
Wenn Ingeborg Stadelmann schreibt, dass zahlreiche Schwangere die schleimfördernde Wirkung des Leinsamens bestätigen, dann fragt sich, wie diese Schwangeren denn unterscheiden zwischen der natürlichen Erhöhung der Schleimproduktion durch ihren eigenen Östrogenspiegel und der allenfalls „künstlich“ ausgelösten durch die Leinsamen-Einnahme.
Die günstige Wirkung von Leinsamen auf die Darmschleimhaut würde ich nicht bestreiten. Sie kommt aber zustande, weil der Leinsamenschleim eine entzündete Schleimhaut abdeckt. Das ist ein ganz anderer Vorgang als eine Steigerung der Schleimproduktion in der Scheide.
Und die Wirkung der Leinsamen gegen Verstopfung kommt durch einen Quelleffekt der Schleimstoffe zustande und durch die damit bewirkte Volumenzunahme des Darminhaltes. Diesen Effekt gleichzusetzen mit den schleimlosen Himbeerblättern, von denen keine abführende Wirkung bekannt ist, scheint mir ziemlich verwegen.
Dass sich eine starke Anregung der Darmperistaltik auf die Uterusmuskulatur übertragen kann, ist vorstellbar. Das ist mit ein Grund, weshalb starke Abführmittel in der Schwangerschaft möglichst vermieden werden. Leinsamen wirkt allerdings sehr mild. Würde Leinsamen tatsächlich wie von Ingeborg Stadelmann beschreiben die Uterusmuskulatur anregen, müsste auch ein allfälliges Risiko für Frühgeburten beachtet werden.
Fazit: Die Empfehlungen von Ingeborg Stadelmann zu Himbeerblättertee und Leinsamen sind phytotherapeutisch gesehen meines Erachtens wirr, fragwürdig und unglaubwürdig. Sie bringen so ziemlich alles durcheinander, was durcheinander zu bringen ist.
Hauptsache man kann als Hebamme etwas Natürliches anbieten. Das kommt den Bedürfnissen vieler Frauen nach natürlicher Hilfe entgegen und den Bedürfnissen der Hebammen, solche Hilfen anzubieten. Das kann einen günstigen Effekt auf die Beziehung zwischen Hebamme und Gebärender haben. Es ist dann quasi eine vertrauensbildende Massnahme.
Ich will den Wert solcher vertrauensbildender Rituale keinesfalls schmälern. Eine andere Frage ist aber, ob das darauf basierende Vertrauen wirklich gerechtfertigt ist, wenn eine Hebamme unkritisch und unhinterfragt derartigen fachlichen Humbug übernimmt und an die Schwangere weitergibt. Ich selber hätte jedenfalls Vorbehalte gegen eine solche Hebamme. Ich würde mich fragen, wie sorgfältig sie in anderen Bereichen mit fachlichem Wissen umgeht.
Ich wünsche mir von Hebammen in diesem Bereich eine kritischere Auseinandersetzung mit derartigen Empfehlungen und sage zugleich noch einmal, dass ich diesen Berufstand schätze und in seinen gesundheitspolitischen Anliegen unterstütze.
Siehe auch:
Naturheilkunde-Ausbildung: Mehr kritisches Denken – weniger blinden Dogmatismus
Komplementärmedizin: Genauer nachdenken, differenzierter argumentieren
Pflanzenheilkunde: Kritische Reflexion statt Missionarismus
Naturheilkunde braucht kritische Auseinandersetzung
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Naturheilkunde: Selber denken statt blind glauben
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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