Zwei Zitate zum Thema “Trost und Rat”:

“Rathgeber des Kranken. – Wer einem Kranken seine Rathschläge giebt, erwirbt sich ein Gefühl von Ueberlegenheit über ihn, sei es, dass sie angenommen oder dass sie verworfen werden. Desshalb hassen reizbare und stolze Kranke die Rathgeber noch mehr als ihre Krankheit.”

Friedrich Nietzsche, 1844 – 1900, Philosoph

 

“Trost und Rat ist oft die Abwehr des Nicht-Betroffenen gegen das Leid des Betroffenen. Trost und Rat sind – neben anderem – auch eine Maske der Distanz.”

Ludwig Marcuse, Philosophie des Glücks, Diogenes 1995

Ludwig Marcuse (1894 – 1971) war ein deutscher Philosoph und Schriftsteller. Ab 1944 hatte er die amerikanische Staatsbürgerschaft

Kommentar & Ergänzung:

Die beiden Zitate von Friedrich Nietzsche und Ludwig Marcuse sprechen ein wichtiges Thema an. Chronischkranke und schwerkranke Menschen werden oft überschwemmt mit Tipps und guten Ratschlägen – gerade auch aus den Bereichen Komplementärmedizin / Naturheilkunde / Pflanzenheilkunde. Das ist für die Betroffenen häufig eine grosse Belastung. Gar nicht so selten ist nämlich zu beobachten, dass die guten Ratschläge mit ziemlicher Anmassung und sogar unterschwellig aggressiv verabreicht werden. Wer sich als kranke Person weigert, einen guten Ratschlag anzunehmen, gilt dann schnell als undankbar und ist selber schuld, wenn die Krankheit nicht heilt. So kann man dann mit Recht sagen, dass Ratschläge auch Schläge sein können.

Die Maske der Distanz, von der Marcuse schreibt, dient oft der Abwehr von Ohnmachtsgefühlen. Schwere Krankheiten lösen auch Ängste und Ohnmachtsgefühle aus bei Nicht-Betroffenen im Umfeld. Von solchen Gefühlen kann sich distanzieren, wer Ratschläge von sich gibt. Damit unterstellt man nämlich, dass das Problem lösbar ist, wenn die Betroffenen nur die richtigen Ratschläge befolgen.

Es kann meines Erachtens allerdings nicht darum gehen, jeden Ratschlag zu verdammen. Es kommt sehr auf die Haltung an, in der ein Ratschlag gegeben wird. Aber dass mehr Sorgfalt und Zurückhaltung beim ratschlagen nötig wäre, scheint mir sehr klar.

Auch beim Trost gilt es zu differenzieren: Ob Trost Distanz schafft oder Nähe, das hängt auch von der Haltung ab, mit der Trost „daher kommt“. Vermutlich wird ein Trost, der mehr durch „Dasein“ wirkt, eher zu Nähe führen. Ein aktivistisch daherkommender, überschwappender Trost dagegen scheint mir eher der Distanzierung zu dienen.