Die Boulevard-Zeitung „Blick“ stellt „Grosis Hausmittelchen“ vor. Das wäre ja löblich, wenn dabei nicht soviel Unfug zusammengeschrieben würde. Es ist wirklich eindrücklich, was alles an Unsinn in Medien und auch sonst im Internet über Heilpflanzen herumgeistert.
Ich nehme hier den Abschnitt über Artischocke unter die Lupe und will damit auch zeigen, dass und wie man solche Aussagen auf ihre Substanz abklopfen soll und kann.
Was also schreibt der „Blick“ über Artischocke:
„Artischocke: Hilfe bei Kreislaufproblemen und zu hohem Cholesterinwert
Schon Griechen und Römer wussten um die verdauungsfördernde Wirkung des Distelgewächses. Regelmässiger Verzehr hilft bei Kreislaufproblemen und hohem Cholesterinspiegel. Zudem sorgt die Artischocke für ein rasches Völlegefühl – ideal also für alle, die abnehmen wollen.“
Quelle:
Kommentar:
Davon, dass Artischocke „bei Kreislaufproblemen“ hilft, weiss die Phytotherapie-Fachliteratur nichts.
Aber könnte es nicht ein, dass die Phytotherapie-Fachautoren und die Qualitätssicherungsgremien wie die ESCOP diese Wirkung einfach noch nicht erkannt haben und der Blick-Journalist Recht hat?
Sehr unwahrscheinlich – aber nicht ausgeschlossen. Die Angabe „Kreislaufprobleme“ ist allerdings schon ausgesprochen fragwürdig, weil viel zu vage. „Kreislaufprobleme“ gibt es in sehr vielen Varianten und mit ganz unterschiedlichen Ursachen. Kaum denkbar, dass Artischocke einfach in jedem Fall helfen können soll. Da wären genauere Angaben gefragt.
Artischockenextrakt aus den Blättern bewirkte in Studien eine leichte Senkung des Cholesterinspiegels. Ob ein solcher Effekt beim Verzehr von Artischocke als Gemüse auch auftritt, wie das der „Blick“ behauptet, ist völlig unklar. Jedenfalls handelt es sich hier um eine Anwendung aus der modernen Phytotherapie und nicht um „Grosis Hausmittelchen“.
Komplett eigenartig ist dieser Satz:
„Zudem sorgt die Artischocke für ein rasches Völlegefühl – ideal also für alle, die abnehmen wollen.“
Artischocke wird in der Phytotherapie empfohlen gegen Völlegefühl.
Völlegefühl wird meist durch eine üppige Mahlzeit verursacht und hat daher nichts mit Ab- oder Zunehmen zu tun. So wie der „Blick“ das formuliert tönt es aber so, wie wenn Völlegefühl etwas Positives wäre, weil man dann weniger isst und schlank bleibt. So ist der Begriff aber nicht gemeint.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
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